Jiddu Krishnamurti

Jiddu Krishnamurti
Wir werden sehen wie wichtig es ist die radikale Revolution in den Köpfen der Menschen zu verursachen. Die Krise ist eine Krise des Bewusstseins. Ein Krise, die nicht mehr die alten Normen akzeptieren kann, die alten Muster, die uralten Traditionen. Wenn man in Betracht zieht, was die Welt jetzt ist, mit all dem Elend, den Konflikten, der zerstörerischen Brutalität, Aggressionen usw. Der Mensch ist immer noch wie er war. Er ist immer noch brutal, zerstörerisch, aggressiv, habgierig, wetteifernd. Er hat eine Gesellschaft darauf aufgebaut.

Mittwoch, 1. Februar 2017

Jiddu Krishnamurti || Das Ich || Kommentare zum Leben Text 22


Warum nur legen wir so großen Wert darauf, bemerkt, gewürdigt und anerkannt zu werden? Warum sind wir solche Snobs? Warum messen wir unserem Namen, unserer Stellung, unseren Erfolgen und Errungenschaften solche Bedeutung zu? Ist denn der Namenlose verächtlich? Ist es eine Schande, ein Unbekannter zu sein? Warum verzehren wir uns in dem Streben, berühmt und bekannt zu werden, statt uns damit zufriedenzugeben, ganz die zu sein, die wir sind? Ist uns Name, Stellung und Erfolg etwa darum so wichtig, weil wir erschrecken oder schamrot werden würden, wenn wir uns so sähen wie wir sind? Seltsam, wie stark dieses Bedürfnis nach Anerkennung und Beifall in uns werden kann! Im Toben einer Schlacht werden um der Ehre willen die unglaublichsten Taten vollbracht und um des Heldenruhmes willen unschuldige Mitmenschen hingemordet. Dank seiner Herkunft und Wendigkeit oder durch Fähigkeit und Leistung gelingt dem Ehrgeizigen der steile Aufstieg bis in die Nähe des Gipfels – aber schon genügt der erste Gipfel nicht mehr, denn er strebt in der Trunkenheit des Erfolges weiter zu immer neuen Gipfeln, bis er endlich sagen kann: Der Staat, das Geschäft oder was es auch sei, bin ich, ich bestimme über das Geschehen, ich bin die Macht.

Die großen Religionsgemeinschaften bieten dir ebenfalls Stellungen, Einfluss und Ehre, auch dort kannst du etwas darstellen, aus der Masse herausgehoben werden und deine Bedeutung genießen. Oder du wirst Schüler eines hervorragenden Lehrers, eines Guru oder Meisters und nimmst täglich an seiner Arbeit teil. Auch in dieser Rolle darfst du dich wichtig fühlen, du vertrittst den Allverehrten, du teilst mit ihm die Verantwortung, du gibst, und andere empfangen. Zwar wirkst du nur im Namen eines anderen, aber du bist eben doch sein anerkanntes Werkzeug. Ob du einen Lendenschurz trägst oder das Mönchsgewand nimmst, immer bist du es, der sich herausstellt, bist du es, der sichtbar der Welt entsagt. 

Auf die eine oder andere Weise, handgreiflich oder versteckt, dient alles menschliche Streben der Selbstbestätigung und Erhöhung des Ichs, Warum bedarf unser Ich solcher Stützung und Bestätigung, auch wenn es weder asozial noch in irgendeiner Weise fragwürdig ist? Inmitten der Ängste und Kümmernisse eines Daseins, das uns nur flüchtige Freuden vergönnt, jagen wir unverdrossen nach äußerer Anerkennung oder innerem Lohn, obwohl wir wissen, dass uns daraus nur immer neues Leid und neuer Schmerz erwächst. Wie kommt es zu solchem Widersinn? Der Drang zu handeln, der uns keine Ruhe lässt und kein Neinsagen duldet, ist nichts anderes als unser Streben, bewusst da zu sein. Dieses Streben erst gibt uns das Gefühl, dass wir leben, dass unser Leben einen Sinn hat und dass es uns mit der Zeit gelingen wird, alles Leid und allen Zwiespalt mit der Wurzel auszurotten. Wir fühlen, dass wir nichts mehr wären, wenn unser rastloses Tun zum Stillstand käme. Wir wären dann verloren, unser Leben hätte keine Bedeutung mehr, also bleibt uns keine andere Wahl, und wir schreiten weiter durch Elend, Verwirrung und Widerstreit. Zugleich aber ahnen wir, dass es etwas Höheres gibt, ein anderes Sein, das uns diesem ganzen Elend enthöbe. Die Folge davon sind nie endende innere Kämpfe. 

Je größer der äußere Aufwand, desto schlimmer ist die innere Armut, und von dieser Armut wird auch der nicht frei, der sich mit einem Lendenschurz begnügt. Ursache dieser inneren Leere ist das Begehren, etwas zu werden, und was du auch immer beginnen magst, die Leere lässt sich nicht füllen. Du kannst ihr auf mehr oder weniger geschickte Art ein Schnippchen schlagen, dennoch bleibt sie dir immer noch so nah wie dein eigener Schatten. Alle Zierde, mit der sich das Ich behängt, alle Entsagungen, die es sich auferlegt, können seine innere Armut nicht vertuschen. Daher ist dieses Ich durch sein inneres und äußeres Verhalten ständig darauf bedacht sich anzureichern. Es nennt diesen Prozess ›Erfahrung sammeln‹ oder gibt ihm wohl auch einen anderen Namen, der ihm passend scheint und seinem Bedürfnis nach Selbstbestätigung entspricht. Das Ich kann nie namenlos sein, es mag sich ein neues Gewand umhängen und sogar den Namen ändern, aber die Einmaligkeit, das ›Für sich sein‹ des Individuums bleibt dabei immer sorgfältig gewahrt, weil darauf sein Fortbestand beruht. Dieses ›Für sich sein‹ hindert das Ich daran, seiner Einbezogenheit in das Zeitlose innezuwerden. Die fortschreitende Häufung von Erfahrungen und Erinnerungen bewirkt eine immer stärker ausgeprägte Absonderung oder Personifizierung des strebenden oder entsagenden Ichs, dessen ganzes Tun und Lassen auch im weitest gespannten Rahmen immer auf sich selbst bezogen bleibt. Mit jeder Bemühung, etwas zu sein oder nicht zu sein, entfernt sich das Ich von dem, was es in Wahrheit ist. Was ist nun dieses Ich, wenn wir es seines Namens, seiner Eigenschaften und materiellen Güter entkleiden? Bleibt denn überhaupt noch etwas von ihm übrig, wenn es solchermaßen bloßgestellt wird? Die Furcht, ein Nichts zu sein, treibt das Ich zu rastlosem Streben, und doch ist es in Wahrheit ein Nichts, eine gähnende Leere.

Wenn wir imstande sind, diese Leere zu ertragen und im Schatten ihrer Einsamkeit zu leben, dann tritt eine grundlegende innere Umwandlung ein, die aller Furcht ein Ende macht. Voraussetzung hierzu ist das innere Erleben dieses Nichts – das aber solange nicht eintreten kann, wie es ein erlebendes Ich gibt. Wenn wir nämlich den Wunsch hegen, das Nichts, die Leere in uns zu erleben, um sie zu überwinden und darüber hinauszuwachsen, dann kann es nicht zu diesem Erleben kommen, denn das Ich als ›Für-sich-seiendes‹ besteht ja weiter. Sobald das Ich an einem Erleben beteiligt ist, hat der Zustand reinen Erlebens ein Ende. Nur wenn wir das, was ist, erleben, ohne ihm einen Namen zu geben, wird uns die Freiheit von dem, was ist, zuteil werden.

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